„Die
zwölf Tore sind zwölf Perlen; jedes Tor besteht aus einer einzigen Perle. Die
Straße der Stadt ist aus reinem Gold, wie aus klarem Glas. Einen Tempel sah ich
nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze
Schöpfung ist ihr Tempel, er und das Lamm. Die Stadt braucht weder Sonne noch
Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre
Leuchte ist das Lamm. Die Völker werden in diesem Licht einhergehen, und die
Könige der Erde werden ihre Pracht in die Stadt bringen. Ihre Tore werden den
ganzen Tag nicht geschlossen – Nacht wird es dort nicht mehr geben. Und man
wird die Pracht und die Kostbarkeit der Völker in die Stadt bringen. Aber
nichts Unreines wird hineinkommen, keiner, der Gräuel verübt oder lügt. Nur
die, die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen.“ Offenbarung des Johannes, 21, 21-27
Aquarell von Andreas Felger |
Beim ersten durchblättern der Felger-Bibel hat mich gleich
dieses Bild angesprochen. Ich bin daran hängen geblieben. Einmal – mehrmals.
Erst habe ich nach einem anderen gesucht, weil ich mir nicht zugetraut habe,
über eine Stelle der Offenbarung etwas zu schreiben. Gleichzeitig ist die
Offenbarung das Buch in der Bibel, was mich am meisten fesselt und fasziniert.
Also habe ich mich hingesetzt und es betrachtet. Dann habe ich den Text
gelesen. Und wieder das Bild betrachtet. Und hier folgt, was dabei heraus
gekommen ist:
Es ist die Fülle der Farben, die heraus sticht. Es ist
bunt, aber nicht grell, weil die Farben sehr sanft sind. Auffallend ist das
Lamm, aus dessen Seite Wasser fließt. Klares, blaues Wasser. Es ist Wasser des
Lebens, denn dort, wo es hinfließt, wächst ein Baum empor. Der Baum wächst
nicht nur, sondern scheint sich zu strecken – nach dem Licht auszustrecken. Und
er bringt eine Frucht hervor. Das Lamm ist das Zentrum des Kreuzes - nur
angedeutet im hellen Licht, welches das Lamm umgibt.
Es ist wunderschön, welche Unbeschwertheit das Kreuz in
diesem Bild hat. Es ist nicht erdrückend, nicht düster, nicht schwer – sondern
ganz leicht. Und dennoch ist es so stark, dass es die goldenen Mauern mit
Leichtigkeit durchdringt. Und das Lamm selbst scheint Quelle des Lichts zu
sein. Wie es im Text auch geschrieben steht: „ihre Leuchte ist das Lamm“.
Ein untrügliches Zusammenspiel. Das
Lamm und das Kreuz gemeinsam sind Jesus Christus. Was mich an dem Bild so
anspricht, ist, dass Jesus ganz klar und unmissverständlich in die Mitte
gestellt wird. Und das sein Strahlen die Mauer, die ihn umgibt, durchbricht –
und zwar mit den Balken seines Kreuzes. Das drückt eigentlich alle Hoffnung
aus, die unser Glaube mit sich bringt. Auf ganz einfache und klar verständliche
Weise. Weil Jesus an diesem Kreuz für uns gestorben ist. Weil uns dadurch alle
Sünden vergeben worden sind. Und weil er für uns auferstanden ist. Weil er mit
seinem Tod und mit seiner Auferstehung jede Mauer dieser Welt eingebrochen hat.
Weil er uns mit dem Kreuz erlöst hat. Vollkommen.
Jesus selbst ist der Anfang und das Ende und die Mitte, die
alles erreicht. Denn das Wasser des Lebens, welches deutlich und klar aus dem
Herzen des Lammes fließt, lässt sich nicht von der Stadtmauer des himmlischen
Jerusalems einschränken. Nein! Es fließt über alle Schranken hinaus – in alle
Zeiten. Auch in meine. In mein Jetzt und Hier.
In der unteren linken Ecke ist es sehr dunkel. Ich stehe da
unten. Ich kleiner Mensch. In dieser unserer Welt. Wenn ich mich nach dem Lamm
ausstrecke und Jesus annehme, dann darf ich sein wie der Baum, der aus der Ecke
des Bildes nach oben emporwächst. Das lebendige Grün des Stammes zieht sich bis
ganz unten in die Dunkelheit hinein; bis zu seinen Wurzeln, die fest in dieser
Welt verankert sind. Der Baum – und so auch ich – ist getränkt mit dem Wasser,
getragen von der Erde und gewachsen in Richtung des himmlischen Jerusalem – der
Ewigkeit.
Schön ist auch die Frucht am Baum. In Form und Farbe ist
sie den Perlen, die die Tore des himmlischen Jerusalem darstellen, ähnlich. Zu
den schönsten Früchten des Glaubens gehören für mich die Freude und die
Hoffnung. Die Frucht auf dem Bild ist Rot. Lebendig. Gewachsen. Wir können
diese Früchte nicht ohne das Wasser des Lebens hervorbringen. Sie sind
Geschenke. Gnadengaben des Lammes. Und doch ist es unsere Entscheidung für
Jesus, die uns befähigt diese Früchte hervorzubringen. Weil wir es mitgestalten
dürfen, dieses himmlische Jerusalem. Durch ihn – den Heiland. Weil wir in der
Ewigkeit nicht verblassen und verloren gehen, sondern ganz lebendig teilhaben
am ewigen Leben.
Der Text spricht vom himmlischen Jerusalem. Ich sehe es auf
dem Bild innen. In dem goldenen Kasten. Leuchtend. Mit den zwölf Toren, die
alle aus einer einzigen Perle sind. Genau, wie Johannes seine Vision beschreibt.
Interessant auch, dass ein jeder Mensch durch ein anderes Tor dort hinein
gelangen kann. Weil wir verschieden sind. Einzigartig. Und für mich ist das, was
man außen herum erkennen kann heute - unser Jetzt und Hier. Und gleichzeitig
alle Zeit dieser Welt. Alles was ist und kommen wird – bis Jesus wiederkehrt. In
seinen ganz verschiedenen Farben. Und auch seiner Dunkelheit.
Das Wichtigste bleibt das Kreuz, welches es ermöglicht,
dass das Wasser des Lebens zum Baum, in die Frucht durch alle Mauern bis zu mir
- mir ganz persönlich - fließen kann. Gott hat seinen Sohn auf die Erde
geschickt, damit er diese Ewigkeit für uns erreichbar macht. Für jeden
Einzelnen. Mich. Denn am Kreuz ist Jesus – das Lamm – für mich gestorben und
hat es so wahr gemacht, dass mir meine Sünden vergeben sind und ich einmal ins
himmlische Jerusalem einziehen werde.
Vielleicht spricht mich das Bild deswegen auch so an, weil
ich genau an diese Erlösung glaube. Und weil dadurch schon jetzt mein Leben
erfüllt sein darf vom Licht des Lammes – also von Jesus. Er will auch meine
Mitte sein. Und er will aus mir hervorquellen, wie das Wasser. Ich muss nur
hinsehen, mich ausstrecken und öffnen…
(Wiedergefundener Beitrag aus "So sehe ich die Bibel" Persönliche Einblicke in das Buch der Bücher, Präsenz-Verlag 2008)
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